Am Montag haben wir (Alexa Brase und ich) im Warburg-Haus in Hamburg ein DBR-Kolloquium in Kooperation mit Harald Hantke und Anke Karber von der Leuphana Universität Lüneburg veranstaltet (hier das Programm). Neun Personen haben zu insgesamt acht DBR-Projekten berichtet und den Austausch gesucht. Zusammen waren wir eine Gruppe von ca. 25 Personen. Ziel war ein interdisziplinärer Austausch für alle, die mit Design-Based Research (DBR) in Drittmittel- oder Qualifizierungsprojekten arbeiten. Ich fand den Tag sehr gelungen: Die im Vorfeld bereitgestellten Videos zu den Projekten waren prägnant und informativ, die Präsenz-Diskussion intensiv und ergiebig. Auf zwei Dinge möchte ich im Folgenden näher eingehen: Auf einige inhaltliche Diskussionspunkte zu DBR sowie auf das von uns gewählte Format.

Zu ausgewählten Inhalten

Die diskutierten DBR-Projekte sind in unterschiedlichen Kontexten angesiedelt (Schule, Berufsbildung, Hochschule) und behandeln verschiedene Phänomene: von der Finanzbildung über Musikdidaktik und Berufsorientierung bis zur Lehrkräftebildung – um nur Beispiele zu nennen. Die herangezogenen DBR-Modelle variieren ebenso wie der Umfang der Projekte. Einer guten Verständigung hat das in keiner Weise geschadet, denn: Alle bringen Wissen und Erfahrung zu DBR und so etwas wie ein „Design-Mindset“ mit (der Begriff fiel im Kolloquium mehrfach). Man muss sich in solchen Runden nicht gegenseitig erklären, was DBR „eigentlich“ ist, wie sich dieses Forschungsgenre von anderen unterscheidet usw. Das eröffnet Raum und Zeit für Diskussionen, die tiefer gehen können. Es gab (natürlich) auf der einen Seite individuelle Fragen und Diskussionsbedarfe zu den Projekten. Auf der anderen Seite haben wir einige auch unter verschiedenen Kontextbedingungen ähnliche Herausforderungen besprochen, und auf diese möchte ich exemplarisch eingehen:

Eine große Bedeutung hat in vielen DBR-Projekten die Frage, welche Rollen man als Design-Based Researcher (DBRer) innehat: Wie gehe ich damit um, dass ich als DBRer gleichzeitig etwas gestalte, untersuche und daraus auch noch theoretische Folgerungen ziehe? Wann und inwieweit tritt eine „Selbstbeforschung“ ein und wie lässt sich das gut bewerkstelligen? Welche Rolle haben meine Partner auf welchen Aktivitätsfeldern in einem DBR-Projekt und wie binde ich sie genau ein? Welche Folgen hat die besondere Rollenkonstellation in DBR-Projekten für die Wissenschaftlichkeit des Vorgehens? Es gibt keine einfachen Antworten auf diese Fragen – das wurde auch im Kolloquium wieder klar. Es gibt sie deshalb nicht, weil DBR als Forschungsgenre in sich heterogen ist und daher unter anderem der Verlauf eines Projekts wie auch die Vorstellungen von Wissenschaftlichkeit variieren können. Gemeinsam aber ist wohl allen DBR-Modellvorstellungen, dass die Vielfalt der eigenen Rolle ebenso wie die Einbindung weiterer Personen nicht nur als „Problem“, sondern auch und besonders als Potenzial gesehen und genutzt werden sollte. Mehrfach wurden autoethnografische wie auch ethnografische Methoden genannt, die sich in DBR einsetzen lassen, um Herausforderungen im Zusammenhang mit Rollen zu bewältigen. Zudem kommen der Kommunikation und Verständigung untereinander eine hohe Relevanz zu.

Die gegenseitige Verständigung ist denn auch ein zweiter inhaltliche Punkt, der im Kolloquium wiederholt aufgegriffen worden ist: DBR weist häufig interdisziplinäre Züge auf und ist eigentlich immer auch transdisziplinär, und das hat zur Folge: Es sind verschiedene Menschen beteiligt, die in der Regel unterschiedliche (Fach-)Sprachen, Interessen und Vorstellungen mitbringen. Schwierigkeiten sind vorprogrammiert, wenn keine Zeit und Energie dafür aufgewendet werden, eine gemeinsame Verständigungsbasis zu schaffen – eine Erfahrung, die offenbar viele teilen, die am Kolloquium teilgenommen haben. Von daher war es besonders inspirierend, dass sich ein im Kolloquium besprochenes Projekt um ein spielbasiertes Instrument dreht, das die gegenseitige Verständigung zum Ziel hat. Zur Verständigung würde ich übrigens auch die interne Verständigung beispielsweise dazu zählen, was in DBR eigentlich ein „empirisches Datum“ ist – ein Thema, das wir ebenfalls diskutiert haben.

Eine dritte Herausforderung ist nur allzu bekannt: Wie gelingt die Dokumentation von DBR-Projekten? In unserem Buch zum Forschenden Entwerfen haben wir dem Thema Kommunikation und Darstellung von DBR (im Kontext Hochschulbildung) ein eigenes Kapitel gewidmet (siehe hier), denn: In der Tat ist sind hohe Prozesskomplexität, Oszillationen zwischen verschiedenen Aktivitätsclustern (empirisch, theoretisch, praktisch) sowie iterativ-zyklische Verläufe nicht eben einfach in verständlicher Form zu beschreiben. Es gibt allerdings auch hier nicht die eine Antwort, außer vielleicht die, dass es natürlich notwendig ist, für Nachvollziehbarkeit zu sorgen. Das ist auf verschiedenen Wegen möglich. Diskutiert wurden unter anderem das Erzählen einer „Research History“ und die Vorzüge einer chronologischen Darstellung, aber auch die Nutzung von Instrumenten wie Conjecture Mapping oder visualisierten DBR-Modellen als Strukturgeber. Grenzen haben alle diese Möglichkeiten.

Zum Format

Für das DBR-Kolloquium konnten wir als Uni Hamburg die Bibliothek im Warburg-Haus nutzen – ein wunderbarer Raum, der zu Diskussion und Austausch einlädt: Wir haben fast gänzlich auf Technik verzichtet, denn: Alle Referentinnen haben uns vorab kurze Präsentationsvideos (max. 15 Minuten) zu ihren DBR-Projekten sowie jeweils ein Handout zukommen lassen. Diese Vorab-Unterlagen wurden allen teilnehmenden Personen ausreichend vorher online zugänglich gemacht. Bereits in diesen Unterlagen haben die Referentinnen hervorgehoben, vor welchen Herausforderungen sie gerade stehen und was sie im Kolloquium diskutieren möchten. Es hat sich gezeigt, dass alle, die teilgenommen haben, bestens vorbereitet waren: Tatsächlich konnten wir die jeweils 30 Minuten für jede Person zur gemeinsamen Besprechung des Projekts und der mitgebrachten Fragen nutzen. Nach jeweils zwei Diskussionsrunden gab es entweder eine Kaffeepause oder eine längere Mittagspause; vor Beginn und am Ende hatten wir informelle Einstiegs- und Ausstiegsphasen eingebaut – viel Raum also für Gespräche und Vernetzung, was, so mein Eindruck, sehr gut angekommen ist.

Als Fazit lässt sich festhalten: Mit einfachen Mitteln und einem übersichtlichen Konzept, das ohne komplizierte Erklärungen auskommt, lässt sich ein gelungenes Kolloquium durchführen. Natürlich: Voraussetzungen sind Motivation und eine gute Vorbereitung auf Seiten aller Beteiligten. Angesichts des großen Interesses am Forschungsgenre DBR und am Austausch in dieser Runde waren das aber offenbar keine Hürden. Vielen Dank an alle, die da waren – mir hat der Tag viel Freude bereitet!

Dieser Text findet sich auch in Gabi Reinmanns eigenem Blog.