Beim Symposium Finding a common ground for practicing and teaching DBR in Hamburg haben wir uns gefragt, wie die Vermittlung von Design-Based Research (DBR) gelingen kann. Was passt da besser, als sich nur eine Woche später den Themen derjenigen zu widmen, die in ihrer Auseinandersetzung mit DBR gerade erst beginnen oder sich mitten in einem DBR-Projekt befinden?
Am 5. und 6. Oktober 2023 fand auf dem Magdeburger Campus der Hochschule Magdeburg-Stendal die Arbeitstagung Design-Based (Implementation) Research – Innovative Lösungen für das Lernen und Lehren an Hochschulen statt, organisiert von Rahim Hajji und seinem Team.
In offener und konstruktiver Atmosphäre wurden in je 3-4 parallelen Sessions Projekte diskutiert, vor allem, aber nicht nur von Promovierenden. Gerahmt wurden die Projektdiskussionen von zwei Impulsvorträgen (die Dominikus Herzberg und ich selbst beitragen durften) sowie den Reflexionsräumen, die Angelika Thielsch jeweils am Ende der beiden Tage moderierte. Die Ergebnisse der Reflexionsräume wurden auf Flinga-Boards festgehalten (vielen Dank an Rahim Hajji für die Links):
Welche Themen und Fragen sind es also, die in den Präsentationen und Diskussionen, bei denen ich dabei war, und in den Reflexionsräumen besonders sichtbar geworden sind?
Da ist in den Diskussionen zum einen die grundlegende, (selbst-)kritische Frage danach, ob das jeweilige Projekt wirklich ein DBR-Projekt ist, ob es noch eines werden oder sich von DBR “nur” inspirieren lassen kann. Auch wenn DBR-Projekte sehr verschieden sind, gibt es doch einige Kernmerkmale – neben dem iterativen Charakter, den viele andere Ansätze teilen –, darunter die hohe Bedeutung von Designaktivitäten sowie die Generierung theoretischer Ergebnisse. Für manche (noch junge) Projekte erwies es sich als hilfreich, den Fokus zu schärfen, um den DBR-Charakter sichtbarer zu machen. Für andere erschien es sinnvoller, Impulse aus der DBR-Diskussion mitzunehmen, das eigene Projekt jedoch nicht zu einem DBR-Projekt zu “verbiegen”.
Ebenfalls ein viel diskutiertes Thema waren Designprinzipien. Diese sind als Ergebnistyp in DBR verbreitet, werden aber in vielen Projekten auch schon in früheren Schritten als Arbeitsinstrument z.B. zum “Conjecturing” genutzt; das Conjecturing dient der Formulierung und Reflexion von begründeten Annahmen zur Intervention. Hier zeigt sich bereits, dass der Begriff Designprinzipien in DBR gehaltvoll ist: Es geht nicht um einfache, generische Regeln für gutes Design. Vielmehr geht es um abstrahierte, präskriptive Aussagen zu einer Intervention, die in einem komplexen Bildungskontext formuliert, erprobt, verfeinert, ausdifferenziert, teilweise verworfen werden, um schließlich transferorientiert zwischen diesem Kontext und möglichen anderen zu vermitteln. Das eröffnet viele Möglichkeiten, aber auch forschungspraktische Fragen, z. B. dazu, wie Prinzipien formuliert und ihre Entwicklung dokumentiert werden können. Zu diesen Fragen gab es einige Beiträge, Denk- und Diskussionsanstöße. Dazu passt, dass Designprinzipien auch in den Reflexionsräumen Referent:innen wie Teilnehmende beschäftigt hat: als Feedback, das Referent:innen aus den Sessions mitnehmen (u. a. Definitions-, Präzisierungs-, Reflexionserfordernisse) oder als überraschende Einsicht, dass Begriffe (Design-, Gestaltungs-, Entwurfsprinzipien, Designannahmen) uneinheitlich genutzt werden und es daher wichtig erscheint, hier in die Klärung zu gehen.
Ein Aspekt, der uns selbst während der Tagung beschäftigte und der ebenfalls im Reflexionsraum ins Auge fällt, ist die Überraschung, mit der einzelne Teilnehmende der Bedeutung des Designs in DBR begegnet sind. Unter “Was war für dich ein überraschendes Thema/Ergebnis?” finden sich u. a. die Einträge “Research Through Design als alternativer Vorschlag”, “Vorgang des Gestaltens/Entwerfens als Modus des Erkenntnisgewinns” und “Erinnerung an Betonung des gestaltenden Elements in DBR-Ansätzen”. Vor allem im Impulsvortrag von Dominikus Herzberg stand Research Through Design im Fokus, nicht jedoch als Alternative zu, sondern als Deutungsvariante von DBR, die vor dem Hintergrund von Erfahrungen im hochschuldidaktischen Kontext entstanden ist (siehe Reinmann, 2023). Doch auch in anderen Deutungen ist Design mehr als ein Nebenaspekt. Was das für die DBR-Forschungspraxis bedeutet, ist noch lange nicht erschöpfend diskutiert.
Zwei weitere Fragen, die in den Reflexionsräumen mehrere Personen beschäftigt haben, werden einige von uns auch im DBR-Netzwerk weiter begleiten: Wie ist es möglich, ein DBR-Projekt im Rahmen einer Promotion umzusetzen? Und: Was ist zu beachten, wenn ein DBR-Projekt in Personalunion als Lehrende:r und gleichzeitig Forschende:r durchgeführt wird? Dass es grundsätzlich möglich ist, mit einem DBR-Projekt zu promovieren, haben viele Promovierte bereits gezeigt. Viele von ihnen würden aber sicherlich zustimmen, dass das ohne überdurchschnittlich hohen Aufwand nicht zu leisten war. Dennoch gibt es Möglichkeiten, ein DBR-Projekt machbarer zu gestalten, z. B. durch einen gut eingegrenzten Design- und Untersuchungsgegenstand, durch Kollaboration mit Kolleg:innen, die das Projekt durch ihr Wissen und ihre Unterstützung voranbringen, oder durch einen ans Gesamtprojekt angepassten Einsatz von empirischen Methoden, der unzweckmäßigen Aufwand vermeidet. Am Ende ist es eine Entscheidung, die sicherlich damit zusammenhängt, welchen Wert sich jemand von den praktischen wie theoretischen Ergebnissen und vielleicht auch von der eigenen Professionalisierung durch ein DBR-Projekt verspricht. Der Frage, wie Promovierende in DBR besser unterstützt werden können, wird sich das DBR-Netzwerk weiterhin widmen, z. B. im Kolloquium, das wir vom DBR-Netzwerk aus Anfang 2024 ausrichten. Das Thema DBR und Personalunion ist eines, das uns insbesondere an Hochschulen häufig begegnet. Hier treffen Scholarship of Teaching and Learning und DBR zusammen (siehe auch Reinmann, 2018): Forschende forschen durch Design mit Bezug zu ihren eigenen Lehrangeboten. Das Thema zeigt, dass wir neben einem bildungskontextübergreifenden Austausch, wie wir ihm im DBR-Netzwerk bereits pflegen, auch einen intensiveren Diskurs zu DBR in der Hochschulbildung brauchen.
Natürlich gab es sowohl in den Sessions als auch in den Reflexionsräumen viele weitere Themen und inspirierende Einblicke in Projekte, auf die ich hier nicht im Einzelnen eingehen kann. Im kommenden Jahr wird es jedoch Gelegenheit geben genauer nachzulesen: Beiträge der Tagung werden nun verschriftlicht und sollen in der Zeitschrift die hochschullehre veröffentlicht werden. Ich bin gespannt auf die Artikel und den Organisator:innen und Kolleg:innen dankbar für den wunderbaren Austausch. Mein Fazit ist: Diese Gelegenheiten, bei denen wir uns gemeinsam intensiv mit Details von Projekten oder übergreifenden Fragen auseinandersetzen können, brauchen wir regelmäßig, als Aushandlungsräume für das, was DBR aus- und besser macht.
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